Wie kämpft ihr im Kumite lieber? Go-no-Sen? Oder Sen-no-Sen? Oder sogar Sen-Sen-no-Sen?
„Mit den Fäusten..?“
Schönes Ding!
Im Kumite teilen sich die Kämpfer beim Wettkampf in verschiedene Vorlieben. Die einen warten, bis der Gegner angreift, wehren den Angriff ab und kontern. Andere sehen den Angriff und kontern mit einem schnelleren. Und wieder andere preschen vor, wie die berüchtigte Dampfwalze, wenn sie sehen, dass der Gegner sich zum Angriff entschließt.
Einige von Euch haben die Begriffe Go-no-Sen und Sen-no-Sen sicher schon mal gehört. Und viele werden sich sicherlich fragen, ob’s das mit Sojasoße oder süß-sauer gibt. Für die, die es interessiert und die ihr Kumite-Können analytisch betrachten und vertiefen wollen, werden wir heute mal etwas tiefer in die Materie einsteigen und ergründen, was es damit auf sich hat.

Kumite-Timing: Die Begriffe im Einzelnen
Go no Sen (後の戦)
Sen no Sen (戦の戦)
Sen-sen no Sen (戦戦の戦)
Go (後) bedeutet „nach“
no (の) ist ein Partikel, der den Bezug ausdrückt, wörtlich „von“
Sen (戦) bedeutet „Angriff“ oder „Krieg“
Go no Sen lässt sich also übersetzen mit „Angriff im Nachhinein“, Sen no Sen mit „Angriff bei Angriff“ und Sen-sen no Sen mit „Angriff gegen den Angriff“.
„Sind die letzten beiden nicht dasselbe?“
Sieht schon so aus, aber im Folgenden wird sich der kleine, aber feine Unterschied noch zeigen. Nehmen wir und nun die Begriffe nacheinander vor, was ist was.
„Go no Sen“
Go no Sen erklärt sich schon fast selbst durch die Übersetzung. Der Angriff erfolgt als Konter nach dem Angriff des Gegners. Vor allem der abwartende Kämpfertyp wird in der Regel mit Go no Sen arbeiten. Wie sieht das nun in der Praxis aus? Der Gegner greift uns an, wir lassen ihn seinen Angriff ausführen, blocken und kontern dann.
Merkmale des Go no Sen:
- der Angriff des Gegners wurde voll ausgeführt
- der Angriff des Gegners wurde aufgenommen und abgewehrt
- nach dem ausgeführten Angriff erfolgt der Konterangriff
„Sen no Sen“
Sen no Sen ist auch noch relativ eindeutig: Angriff bei Angriff, greift mein Gegner an, greife ich auch an. Der Trick ist: Ich muss schneller sein. Fortgeschrittene Kämpfer wählen meist Sen no Sen und brechen die Taktik des Gegners auf.
Was wie Aiuchi (gleichzeitiges Treffen) klingt, sieht in der Praxis so aus:
Gegner greift uns an und wir kontern seinen Angriff noch während er ihn ausführt, wofür es zwei Möglichkeiten gibt. Entweder wir gehen mit einem Block in seinen Angriff und platzieren gleichzeitig unseren Angriff oder wir weichen minimal aus, sodass wir gerade so nicht mehr da sind, wohin er angreift und treffen ihn unsererseits. Bruce Lees „Jeet Kune Do“ ist die Umsetzung von Sen no Sen. Merkmale des Sen no Sen:
- der Angriff des Gegners wurde abgefangen, bevor er voll ausgeführt wurde
- der Angriff auf den Gegner schlägt ein, während er noch angreift
- die Bewegungsenergie des gegnerischen Angriffs wird benutzt, um den eigenen Angriff effektiver zu machen
„Sensen no Sen“
Sen-sen no Sen ist in der wörtlichen Übersetzung nun nicht mehr so eindeutig. Ein Angriff gegen den Angriff des Gegners führen ist hier metaphorisch zu sehen und nicht direkt zu verstehen. Wir greifen dabei nicht den laufenden Angriff an, sondern eher seinen angestrebten Angriff. Der Angriff erfolgt bei Sen-sen no Sen in dem Augenblick, in dem der Gegner den Entschluss zum Angriff fässt und sich durch kleine Signale verrät. Sen-sen no Sen erfordert langjährige Erfahrung und Übung, um beherrscht zu werden.
Wie stellt man sich sowas vor? Der Gegner fasst den Entschluss, anzugreifen und unser geschultes Auge sieht die kleinen Veränderungen an seinem Körper. Gerade wenn er ein Hüpfer ist (zu jenen gehört, die im Kumite ständig hüpfen), werden seine Sprünge vielleicht etwas flacher und kürzer, um sich explosiv abstoßen zu können, vielleicht presst er die Lippen aufeinander oder reißt die Augen auf, vielleicht fixieren seine Augen auch sein Ziel, solche kleinen Verrätersignale, die eine halbe Sekunde vor dem Angriff auftreten. Und auf diese Signale reagierend greifen wir an, bevor er seinen Angriff beginnen kann.
Merkmale des Sen-sen no Sen:
- der Angriff des Gegners konnte sich nicht entfalten
- der eigene Angriff trifft den Gegner bereits, als dessen Angriff erst startet
- der Gegner wird an jeder Abwehr gehindert, indem der eigene Angriff ihn trifft, während er vollkommen auf seinen Angriff fokussiert ist
Was haben alle drei Prinzipien gemeinsam?
Sie beziehen sich auf den Gegner!
Niemand wird im Kumite weit kommen, wenn er nur an sich selbst denkt.
Man muss den eigenen Fähigkeiten vertrauen und darf nicht ständig daran denken, was man tun könnte, möchte, würde. Mit den Worten des großen Meisters Qui-Gon Jinn: „Fühlen, nicht denken!“
Man sollte sich dabei nie auf ein Prinzip beschränken. Die größten Kumite-Champions wechseln fließend (und ziemlich ohne jeden Plan) durch die Prinzipien. Sie wenden sie an, ohne darüber nachzudenken. Sie fühlen einfach den Augenblick, in dem sie angreifen können und Bämm!
Jetzt werden sich die Kata-Experten und Selbstverteidigungs-Fans fragen, was sie davon haben und warum sie das wissen sollten: Karate ist für das Überleben gedacht. In Zeiten, in denen wir Karate-Ka unsere Reflexe nicht mehr gegen Samurai und Räuber schulen, ist das Kumite diese Schule. Wer 20 Jahre lernt und nicht ein einziges Mal kämpft, wird im Ernstfall alles vergessen, was er wusste. Kumite schult uns, auf den Gegner zu achten, seine Signale zu erkennen und darauf zu reagieren und das sogar, ohne Angst um das eigene Leben haben zu müssen. Es ist ein bequemes Lernen, aber ein notwendiges. Wenn Euch gefällt, was hier geschrieben wird und Ihr mehr lesen wollt, kommentieren, liken und ganz wichtig: Weitersagen! Je mehr Leser hier her finden, umso länger wird dieser Blog existieren, umso mehr werden wir schreiben.